Erneute Änderung des NRW-Polizeigesetzes

Nachdem schon im Jahr 2018 das Polizeigesetz in NRW massiv verschärft wurde, ist nun 2019 erneut eine Änderung geplant.

Am 9. Oktober 2019 fand die erste Lesung des Gesetzentwurfs „Siebtes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen“ (Drs. 17/7549) im Landtag statt.

Am 12. November 2019 sollen Sachverständige im federführenden Innenausschuss angehört werden (nachmittags, Video abrufbar).

Wesentliche Änderungen

  • Bodycam-Einsatz: Aufhebung der Befristung bis 31.12.2019
  • Verordnungsermächtigung zur Regelung des Vollzugs des Polizeigewahrsams
  • Zulassung von Nicht-Beamt*innen für unterstützende Aufgaben im Polizeigewahrsam
  • Versammlungsfreiheit: Grundrechtseinschränkung wird deklariert
  • (Fixierungs-Regelung) – durch Änderungsantrag der Fraktionen von CDU/FDP ergänzend eingebracht
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Bodycam-Einsatz

Befristung

§ 15c PolG NRW, welcher der Polizei die „Datenerhebung durch den Einsatz körpernah getragener Aufnahmegeräte“ erlaubt, trat vor drei Jahren in Kraft.
Voraussetzung ist die Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben von Menschen. Auch in Wohnungen ist der Einsatz erlaubt, wenn die Gefahr dringender Art ist. In insgesamt 14 Bundesländern liefen oder laufen Bodycam-Evaluationen, wobei sie in privaten Räumen nur in NRW, Mecklenburg-Vorpommern und eventuell in Niedersachsen eingesetzt werden.

Die Bodycam-Erlaubnis erlischt Ende dieses Jahres am 31. Dezember 2019. Der aktuelle Gesetzentwurf sieht vor, diese Befristung aufzuheben.

Löschzeitpunkt

Der aktuelle § 15c legt fest, die Aufzeichnungen grundsätzlich „zwei Wochen nach ihrer Anfertigung zu löschen“. Abweichend zur vorherigen Regelung sieht der Gesetzentwurf vor, dass die betroffene Person das Löschen untersagen kann, um die Rechtmäßigkeit aufgezeichneter polizeilicher Maßnahmen überprüfen zu lassen. Dies setzt allerdings in der Praxis voraus, dass ein*e Polizeibeamt*er*in vor der zu beanstandenden Handlung die Aufnahme gestartet und nicht wieder gestoppt hat, und dass die Perspektive eine Beurteilung ermöglicht.

Evaluierung

Im Rahmen des Projektes „Bodycam in NRW“ wurden in sechs Pilotwachen von Mai 2017 bis Januar 2018 Bodycams im Streifendienst eingesetzt.
Der aktuelle § 15c Abs. 9 fordert:

Die Auswirkungen dieser Vorschrift und die praktische Anwendung werden bis zum 30. Juni 2019 durch die Landesregierung unter Mitwirkung einer oder eines unabhängigen sozialwissenschaftlichen Sachverständigen und einer oder eines polizeiwissenschaftlichen Sachverständigen geprüft. Die Landesregierung berichtet dem Landtag über das Ergebnis der Evaluierung.

Die von der Landesregierung beauftragte Ausschreibung gab vier Forschungsfragen vor, von denen drei die „(deeskalative) Wirkung“ von Bodycams zum Gegenstand haben, die vierte die „Akzeptanz“ (Seite 14).
Für die Einbringung des aktuellen Gesetzentwurfs bei der Vollversammlung des Landtags am 9. Oktober 2019 gab Landesinnenminister Herbert Reul seine Rede lediglich zu Protokoll. Die Hauptmotivation der Landesregierung für die Entfristung des Bodycam-Einsatzes sei der Zweck der „polizeiliche[n] Eigensicherung“.
Das Ergebnis der Studie bezüglich der titelgebenden These der deeskalierenden Wirkung von Bodycams bleibt ambivalent, so fasst Seite 119 zusammen:

Die Ergebnisse weisen über die Methoden hinweg auf ein Deeskalationspotenzial der Bodycam hin. Gleichwohl liefern die Ergebnisse auch Hinweise darauf, dass es durch den Einsatz der Bodycam in Einzelfällen zu Eskalationen kommen kann.

Dem wird in der Studie durch Handlungsempfehlungen begegnet (Seite 8), u.a. folgende:

Der Einsatz der Bodycam darf das in der Situation und gegenüber den Adressatinnen und Adressaten einsatztaktisch adäquate Verhalten nicht beeinflussen. Das schließt beispielsweise aggressive Anweisungen, Nutzung von Umgangssprache und die rechtzeitige Anwendung von Zwangsmaßnahmen ein. Damit die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten keine Hemmungen vor der Dokumentation dieser Verhaltensweisen haben, ist in den Dienststellen ein kulturelles Klima der Akzeptanz und Offenheit zu schaffen, das die Einsatzkräfte darin ermutigt, ihr Verhalten ausschließlich an den Erfordernissen des polizeilichen Einsatzes auszurichten.
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte benötigen für die erfolgreiche Einsatzbewältigung einen großen Ermessensspielraum bezüglich der Nutzung der Bodycam. Dies ergibt sich zum einen aus der hohen Komplexität und Vielschichtigkeit polizeilicher Einsatzlagen und zum anderen daraus, dass sich aus den Befunden keine belastbaren Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich des wirkungsvollen Einsatzes der Bodycam ergeben haben.

Mit anderen – kritischeren – Worten: Die Polizist*innen sollen möglichst frei von rechtlichen oder innerpolizeilichen Einschränkungen nach ihrem Gusto die Bodycam nutzen können. Dies lässt rechtsstaatliche Grundsätze wie Normenklarheit oder Bestimmtheitsgebot außer Acht.

Auf Seite 125 sehen die Handlungsempfehlungen der Studie mehr Chancen in der natürlichen menschlichen Kommunikation als in der Technik:

Da bereits geringfügige Verhaltensänderungen im Zusammenhang mit der Bodycam offensichtlich tätliche Angriffe begünstigen, wird in der angemessenen Einsatzkommunikation ein großes Potenzial für die Verhinderung oder Reduzierung von tätlichen Angriffen gegen Einsatzkräfte gesehen, das noch deutlich über das Deeskalationspotenzial der Bodycam hinausgehen dürfte.

Dies wird unterstützt durch die quantitative Videoanalyse, die auf Seite 147 eine Deeskalation in 4,2 % der Fälle „durch BC“ und in 12,2 % „Anders“ feststellt.

Weitere Quellen

Von Amnesty International liegt eine „Stellungnahme zur Einführung einer Bodycam durch einen Änderungsentwurf zum sächsischen Polizeigesetz“ vom 11. März 2019 vor.
Sie sieht in dem Einsatz der Bodycam einen „Eingriff in das Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung“.
Um auch den Schutz des*der Bürger*in rechtsstaatlich zu gewährleisten, „sollte eine Pflicht der Polizist_innen eingeführt werden, bei der Anwendung von unmittelbarem Zwang die Bodycam einzuschalten“.
Außerdem fordert Amnesty:

Eine spätere Verknüpfung der Bodycam mit Gesichtserkennungssoftware auf Grundlage der geplanten Regelungen muss ausgeschlossen werden.

Wie leicht derzeit Datenschutzanforderungen übergangen werden können, zeigt dieser heise-Artikel.

Auf die ungenügend geregelte Verwendbarkeit von Bodycam-Aufnahmen für strafrechtliche Ermittlungen gegen Polizeibeamt*innen geht der Verfassungsblog ausführlich ein.

Viele Studien zu Bodycams stammen einseitig aus den USA, wo diese Technik mit anderer Zielsetzung und Verfahrensweise und in einem anderen Umfeld eingesetzt wird. Teilweise lassen die Hintergründe der Entstehung der Studien auch Zweifel an ihrer Unabhängigkeit zu. So kritisierte etwa Brocato 2015, dass eine viel beachtete Studie an einem Polizeirevier durchgeführt worden sei, das sich wegen vorangegangener Pflichtverletzungen besonders bemüht haben möge, einen guten Eindruck entstehen zu lassen, zumal der Polizeichef nachher mehrere auf der Studie basierende Beiträge veröffentlicht habe.

Ein multi-nationaler Forschungsbericht zu Bodycams, auch „Body-worn videos“ (BWVs) genannt, der Studienergebnisse aus sechs Jurisdiktionen zusammenträgt, ist „Wearing body cameras increases assaults against officers and does not reduce police use of force: Results from a global multi-site experiment“, erschienen im European Journal of Criminology 2016, Vol. 13(6) 744–755. Er formuliert als Ergebnis:

We have two main results. First, there was no overall discernible effect of using BWVs on police use of force. Second, cameras increased the likelihood of an officer being assaulted during a shift compared to not wearing the cameras.

Übersetzung: Wir haben zwei Hauptergebnisse. Erstens gab es keine allgemein erkennbaren Auswirkungen des Einsatzes von Bodycams auf die polizeiliche Gewaltanwendung. Zweitens erhöhten Kameras die Wahrscheinlichkeit, dass ein Beamter während einer Schicht angegriffen wurde, im Vergleich zum Nicht-Tragen der Kameras.

Fazit: Der Einsatz von Bodycams bedeutet Eingriffe in die Grundrechte der gefilmten Bürger*innen, insbesondere wenn dies auch innerhalb von Wohnungen gestattet ist. Die Begleitstudie konnte keinen Nachweis erbringen, dass die Zielsetzung der Einführung, Angriffe auf Beamt*innen zu reduzieren, mithilfe von Bodycams erreicht wird. Der Effekt ist möglicherweise sogar gegenteilig, wie Einzelergebnisse der Testphase in NRW, sowie eine Überblicksstudie von 2016 darlegen. Auch grundsätzlich muss der alleinige Fokus auf den Schutz von Beamt*innen kritisiert werden: Wenn schon der Einsatz dieser Technik erlaubt wird, dann muss sie ebenso dem Schutz der Bevölkerung vor Polizeigewalt dienen, und der Einsatz entsprechend geregelt werden. Ein Einsatz, der allein im Ermessensspielraum der Polizist*innen liegt, ist abzulehnen.

Verordnungsermächtigung

Im neuen § 37 Abs. 4 lautet Satz 2:

Das Innenministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung den Umfang der diesen Bediensteten zustehenden polizeilichen Befugnisse zu bestimmen sowie weitere Regelungen für den Vollzug der Freiheitsentziehung im Polizeigewahrsam zu treffen.

In seiner Einbringungsrede schreibt der Innenminister:

[NRW wird] den Vollzug des Polizeigewahrsams im Wege einer Rechtsverordnung gesetzlich regeln. Bisher ist das in Nordrhein-Westfalen wie auch in anderen Ländern per Ministerialerlass geregelt. Angesichts der mit der letzten Novelle angepassten Gewahrsamsfristen halten wir es für richtig, dem Gewahrsamsvollzug transparent und verbindlich Gesetzeskraft zu verleihen.

Der Gesetzentwurf Drs. 17/7549 legt ein zu lösendes „Problem“ wie folgt dar:

Das Innenministerium wird zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Regelung des Vollzugs des Polizeigewahrsams ermächtigt. Das Rechtsregime des Gewahrsamsvollzugs wird in Deutschland seit jeher im Wege untergesetzlicher Verwaltungsvorschriften ausgestaltet; so auch in Nordrhein-Westfalen in Gestalt der Polizeigewahrsamsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (RdErl. d. Innenministeriums – 43.57.01.08 – v. 20.3.2009). Um der hohen Bedeutung der Betroffenenrechte gerade bei der eingriffsintensiven Freiheitsentziehung nicht nur auf Umsetzungsebene, sondern auch im Polizeigesetz Rechnung zu tragen, sollen die Vollzugsvorschriften nun rechtsverbindlich auf der Rechtsquellenebene der Rechtsverordnung geregelt werden.

Richtig ist, dass Verwaltungsvorschriften keine Gesetze im materiellen Sinne sind, insofern erscheinen hierin Regelungen wie etwa die der Fixierung wegen der beträchtlichen Außenwirkung auf fixierte Personen wenig angebracht.
Allerdings verschweigt der Text die Tatsache, dass eine Rechtsverordnung ebenfalls untergesetzlich ist.
Dass es sich hierbei nicht nur um eine Auslassung handelt, zeigt der Gesetzentwurf in § 37 Abs. 4 Satz 2, in welchem sich eine allgemeine Verordnungsermächtigung findet.

Ein solcher „Blankoscheck“ für die Exekutive (Innenministerium) könnte in Konflikt stehen zu den Anforderungen, die das Grundgesetz in Artikel 80 an eine solche Verordnungsermächtigung stellt:

Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden.

Denn dies impliziert, dass nur ein Gesetz im formellen Sinne, wie das in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren von der Legislative (Landtag) beratene und verabschiedete Polizeigesetz, „Inhalt, Zweck und Ausmaß“ festlegen darf – die Verordnung darf dies dann lediglich konkret ausgestalten.

Nebenbei bemerkt stellen Regelungen in Rechtsverordnungen eine zusätzliche Hürde für eventuelle Verfassungsbeschwerden dar, weil in diesem Fall unter Umständen zuvor eine Feststellungsklage erfolgen muss (BVerfG 1 BvR 541/02, 1 BvR 542/02).

Versammlungsfreiheit

Dass das PolG NRW in § 7 alle eingeschränkten Grundrechte aufzählt, wird von Artikel 19 des Grundgesetzes ausdrücklich verlangt.

Bisher fehlte hier die „Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes)“. Nach den BVerfG-Beschlüssen vom 18. Dezember 2018 (1 BvR 2795/09 und 1 BvR 3187/10) handelt es sich bei den Identitätskontrollen an polizeilichen Kontrollstellen zur Verhütung von versammlungsrechtlichen Straftaten nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW um einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG).

Fixierung

Im Polizeigewahrsam kann eine Fixierung vorgenommen werden, bei der die Bewegungsfreiheit des betroffenen Menschen durch Fesselung seiner*ihrer Gliedmaßen (Arme und Beine) vollständig aufgehoben wird.

Wie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 (siehe unten) nachzulesen ist, bedarf diese Fixierung der Regelung der Formen und des Richtervorbehalts in einem förmlichen Gesetz.

Vorlage und Änderungsantrag

In Vorlage 17/2448 mit Stand vom 17. September 2019 war die Regelung der Fixierung bereits als § 37 Abs. 4 enthalten. Es ist verwunderlich, dass diese Regelung in dem Gesetzentwurf Drs. 17/7549, der am 9. Oktober 2019 in erster Lesung dem Landtag vorgestellt wurde, kommentarlos fehlt. Nur dieses Kuriosum gab den Fraktionen von CDU und FDP die Gelegenheit, am selben Tag Änderungsantrag Drs. 17/7624 einzubringen, der den fehlenden Text der Vorlage, lediglich erweitert um die Voraussetzung einer ärztlichen Stellungnahme, als § 37a wieder einzufügen beantragt.

Gleichzeitig möchten die Fraktionen von CDU und FDP mit ihrem Änderungsantrag dem Gesetzentwurf die Überschrift „Gesetz zur Stärkung der Rechte von im Polizeigewahrsam festgehaltenen Personen“ geben. Diese Schwerpunktsetzung erscheint insofern seltsam, als es sich in der Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 (siehe unten) bei der Regelung der Fixierung im Wesentlichen um eine schlichte gesetzgeberische Pflicht handelt, die durch die Ausweitung des Gewahrsams im neuen Polizeigesetz NRW vom Dezember 2018 noch dringlicher wurde. Auch in der Begründung des Gesetzentwurfs wird die Umsetzung der „verfassungsrechtlichen Anforderungen aus der genannten Entscheidung im Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG)“ genannt. Bereits einige andere Gesetze, wie etwa das Strafvollzugsgesetz, wurden aus demselben Grund in der Zwischenzeit angepasst.

(Das Ordnungsbehördengesetz soll lediglich in seinem Wortlaut an die Änderungen des PolG angepasst werden, weil z.B. Ordnungsämter unter bestimmten Voraussetzungen in Gewahrsam nehmen dürfen, aber nicht fixieren.)

Regelung der Fixierung

  • Für die Fixierung (§ 62), die absehbar von nicht nur kurzfristiger Dauer ist, gelten § 69 Abs. 7 und § 70 Abs. 4 StVG NRW entsprechend.
  • Bei einer solchen Fixierung ist stets eine durchgängige persönliche Beobachtung zu gewährleisten.
  • Eine solche Fixierung bedarf der vorherigen ärztlichen Stellungnahme und richterlichen Anordnung.
  • Bei Gefahr im Verzug darf die*der in der Gewahrsamseinrichtung Aufsicht führende Polizeivollzugsbeamt*e*in die Anordnung vorläufig treffen. Die richterliche Entscheidung und ärztliche Stellungnahme sind unverzüglich nachzuholen; im Übrigen gilt § 70 Abs. 5 Satz 4 und 5 des StVG NRW entsprechend.
  • Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften des 7. Buches (Verfahren in Freiheitsentziehungssachen) FamFG.

Anhang: Bundesverfassungsgerichtsurteil zu Fixierungen

Im Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 (2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16) wurde die Pflicht des Gesetzgebers festgestellt, in einem förmlichen Gesetz die Formen und den Richtervorbehalt für die Fixierung (Fesselung mindestens sämtlicher Gliedmaßen) zu regeln. Dies sei von einer richterlichen Unterbringungsanordnung nicht gedeckt. Die folgenden Auszüge belegen die Bedeutung auch für den Polizeigewahrsam:

Aufgrund ihrer besonderen Eingriffsintensität ist die nicht nur kurzfristige Fixierung sämtlicher Gliedmaßen auch im Rahmen eines bereits bestehenden Freiheitsentziehungsverhältnisses als eigenständige Freiheitsentziehung zu qualifizieren, die den Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG abermals [bezogen auf den bereits erfolgten Freiheitsentzug bei Unterbringung] auslöst.

Rn. 69

Von einer kurzfristigen Maßnahme ist in der Regel auszugehen, wenn sie absehbar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unterschreitet.

Rn. 68

Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden.

Rn. 76

Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (Art. 104 Abs. 1 GG) muss hinreichend bestimmt sein und sowohl materielle Voraussetzungen als auch Verfahrensanforderungen zum Schutz der Grundrechte der untergebrachten Person vorsehen.

Rn. 72

Aus Art. 104 Abs. 2 Satz 4 GG ergibt sich vielmehr ein Regelungsauftrag, der den Gesetzgeber verpflichtet, den Richtervorbehalt verfahrensrechtlich auszugestalten.

Rn. 94