Rede zum Thema Überwachung

Haben Sie etwas zu verbergen? Ich schon. Wir alle. Das nennt sich „Privatsphäre“. Ich will nicht beim Nasebohren oder beim Rumknutschen beobachtet werden. Ich will nicht, dass jemand mein Tagebuch liest, oder Nachrichten, die ich Freunden, Eltern und Kolleginnen schreibe. Doch genau das hat der CDU-Innenminister Reul vor: Mehr Videokameras, die popelnde Menschen und tränenreiche Abschiede an Bahnhöfen beobachten. Datenbanken, in denen die Messenger-Nachrichten mutmaßlicher „Gefährder.innen“ gespeichert werden.

Wenn ein eifersüchtiger Partner heimlich die SMS seiner Freundin liest, plagt ihn danach vielleicht zumindest ein schlechtes Gewissen. Eine Datenbank, die unsere Nachrichten speichert, hat kein Gewissen. Ein Computerprogramm, dass die Nachrichten nach Wörtern durchsucht, hat kein Urteilsvermögen. Wir, die Menschen in NRW, die Betroffenen, werden vermutlich nie erfahren, welche Wörter nach dem neuen Polizeigesetz als Hinweis auf eine „drohende Gefahr“ gewertet werden: Bombe? Explosion? Dschihad? Oder doch eher: Demo, Hambi, Freiheit?

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Mit dem neuen Polizeigesetz werden wir nicht geschützt. Im Gegenteil. Wir werden der Gefahr ausgesetzt, selber zur Gefahr deklariert zu werden. Kein Mensch wird nachvollziehen können, warum. Professor Clemens Arzt spricht in seiner Stellungnahme von einem Paradigmenwechsel: Bisher ist eine Gefahr, also die Wahrscheinlichkeit eines Schadens nötig, damit die Polizei überwachen und einsperren darf. In Zukunft soll die Wahrscheinlichkeit einer Wahrscheinlichkeit eines Schadens reichen. Wer soll das verstehen? Wie soll die Polizei die Wahrscheinlichkeit einer Wahrscheinlichkeit einschätzen – Und zwar so, dass es nachvollziehbar ist? Wer soll wissen, wie er oder sie sich verhalten darf, wenn sie von der Polizei in Ruhe gelassen werden will?
Wir haben in den letzten Jahrzehnten in der Bundesrepublik in einem der friedlichsten Länder der Welt gelebt. Das ist auch der Polizei zu verdanken. Ich will eine Polizei! Ich will sie als Ermittler und Rechtsdurchsetzerin, nicht aber als Überwacherin, nicht als Umsetzerin willkürlicher, vorauseilender Repression.

Ein anderer Grund für den Frieden, in dem wir hier aufwachsen durften, sind unsere Abwehrrechte gegen den Staat. Diese Abwehrrechte wurden aus gutem Grund geschaffen.
Das Grundgesetz wurde nicht in einer Zeit der Ruhe und des Friedens geschaffen. Es wurde geschaffen nach einer der größten Katastrophen, in einer der dunkelsten Zeiten, die die Welt je erlebt hat.
Die deutsche Geschichte hat gezeigt, wie wichtig der Schutz der Menschen vor einem übergriffigen Staat ist. Man hatte gelernt, welche Gefahr ein riesiges Machtgefälle darstellt, wenn Überwachung und Repression in die falschen Hände geraten. Man wollte um jeden Preis verhindern, dass sich die Grausamkeiten des dritten Reichs wiederholen. CDU und FDP in NRW werden mit ihrem Hardlinerkurs dem Staat Waffen in die Hand geben, die spätestens, allerspätestens dann gefährlich werden, falls wir in einigen Jahren oder Jahrzehnten die erste Regierung mit AfD-Beteiligung ertragen müssen. Migranten, „Linke“, Journalistinnen, Anwältinnen und Grundrechts-Aktivistinnen werden als erste leiden – dann alle.

Privatsphäre ist eines dieser Abwehrrechte gegen den Staat. Keine freie, demokratische Gesellschaft kann ohne Privatsphäre existieren. Wer uns überwacht, erlangt Wissen über uns. Wer Wissen über uns hat, hat Macht über uns. Das Recht auf Privatsphäre soll mit dem neuen Polizeigesetz bis zur Unkenntlichkeit beschnitten werden:
Mehr Videoüberwachung. Mehr Personenkontrollen. Mit Staatstrojanern Messenger auslesen und mit elektronischen Fußfesseln Aufenthaltsvorgaben kontrollieren – das sind keine angemessenen, verhältnismäßigen Maßnahmen der Verbrechensbekämpfung. Das sind repressive Mittel, um das Leben eines Menschen bis in den letzten Winkel zu durchleuchten.
Und wer Gesetze mit solchen Maßnahmen verabschiedet, muss sich die Frage gefallen lassen: Wieviel mehr Überwachung verträgt unsere Demokratie, unser Grundgesetz und unsere Freiheit?
Die Verschärfung des Polizeigesetzes von NRW geschieht nicht im luftleeren Raum. Sie ist im Kontext zu sehen mit anderen Überwachungsbefugnissen in NRW und auf Bundesebene. Das Maß ist längst voll. Mehr geht nicht, mehr darf nicht.

Hardliner Reul hat öffentlich angekündigt, er wolle nicht nur Gewalttäter ins Visier nehmen. Zur Veröffentlichung der Polizeilichen Kriminalstatistik von 2017 sagte Reul, er wolle weiter auf die Null-Toleranz-Strategie setzen und „konsequent gegen jede Form von Kriminalität vor[gehen] –  auch gegen vermeintliche Bagatellkriminalität“. Er will das Umfeld sogenannter Extremisten ebenso überwachen, wie polizeibekannte Gewalttäter. Ich für meinen Teil fühle mich nicht gerade sicherer, wenn der Staat die Freunde und Familie der Protestierenden im Hambacher Forst genau so hart angehen darf, wie Neonazis die Todeslisten führen.

Verhältnismäßigkeit, Angemessenheit, Verfassungskonformität – all das fehlt dem Gesetzentwurf auch nach zwei Änderungsanträgen durch CDU und FDP. Eines fehlt erstaunlicherweise auch: Die gängige Definition von Terrorismus. Ein Verbrechen, dass geeignet ist, die Bevölkerung erheblich zu verunsichern.
Für mich steht fest: Die Verschärfung des Polizeigesetzes wird die Bevölkerung verunsichern. Niemand in NRW wird mehr sicher sein, ob sie überwacht wird. Niemand wird sicher sein, welche vagen Indizien schon ausreichen mögen, um Ziel der krassen Repressionsmaßnahmen zu werden, die das Gesetz vorsieht. Das finde ich sehr verunsichernd.

Innenminister Reul, die Landesregierung und die Fraktionen von FDP und CDU rütteln an den Grundfesten der Demokratie und des Rechtsstaats. Und solange sie das tun, werden wir da sein, um ihnen klar zu machen: Wir wollen Grundrechte und Demokratie behalten!

Kerstin Demuth, Digitalcourage e.V.

Rede zum Thema Überwachung um 15:15 Uhr bei der Landesweiten Demonstration Polizeigesetz NRW stoppen! am 8.12.2018 (Twitter: #dus0812)

Einschränkung Demonstrationsrecht

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Demonstranten,

der Innenminister Reul versucht weiterhin, das neue Polizeigesetz gegen alle Widerstände durchzusetzen. Dabei scheut er sich auch nicht, Gesetzesregelungen zu schaffen, die gegen grundgesetzlich verankerte demokratische Rechte verstoßen. Und er ist nicht allein.
Bundesweit werden landauf, landab die Polizeigesetze verschärft.
Dabei wissen alle, dieses Gesetz soll erst der Anfang sein. Die Landesregierung hat angekündigt, dass weitere Verschärfungen, sogenannte „Sicherheitspakete“, in Arbeit sind.
Das Versammlungsrecht ist nur eines der weiteren Rechte, die noch geschliffen werden sollen, um weitere Befugnisse der Polizei durchsetzen zu können.
Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, jetzt zu zeigen: dass wir die Einschränkungen unserer freiheitlichen Grundrechte nicht akzeptieren.

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Auch wenn der Begriff der drohenden Gefahr aus dem Gesetzestext entfernt wurde, bleibt es de facto dabei: Die Polizei soll erheblich erweiterte Befugnisse bekommen und ohne einen begründeten Verdacht eingreifen dürfen.
Bis zu 7 Tagen Gewahrsamshaft zur Identitätsfeststellung geht weit über die Regelung im Bundesrecht hinaus und ist einfach eine Unverschämtheit.
Nach Bundesrecht ist unter engen Voraussetzungen eine Höchstdauer von vier Tagen vorgesehen.
Freiheitsentzug wie der polizeiliche Gewahrsam ist „eine der schärfsten denkbaren Maßnahmen eines Rechtsstaats“.
Bei der „Ingewahrsamnahme“ muss sich die betroffene Person noch nicht einmal einer konkreten Straftat verdächtig gemacht haben. Weitere Grundsätze des Strafverfahrens wie die Unschuldsvermutung werden hier außer Kraft gesetzt.

Damit kann jeder Demonstrant zum potentiellen Straftäter gemacht werden.
Diese Gesetzesverschärfungen können dazu führen, dass Menschen ihr Grundrecht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit zukünftig aus purer Angst nicht mehr wahrnehmen.
Diese Ausweitung polizeilicher Befugnisse könnte dazu führen, dass unschuldige Menschen in Gewahrsam genommen werden.
Wer garantiert uns, dass es zukünftig nicht friedliche Demonstrationsteilnehmer*innen oder Passanten trifft?
Wer garantiert uns, dass es zukünftig nicht friedliche Streikende bei Demos oder Kundgebungen trifft?
Welcher Arbeitgeber akzeptiert und entschuldigt eine „Ingewahrsamnahme“ von bis zu 7 Tagen?
Die Gefährdung des Arbeitsplatzes wäre da nur eine der schwerwiegenden Folgen und wird offensichtlich von der Landesregierung billigend in Kauf genommen.
Eine solche „Gewahrsamsnahme-Regelung“ ist deshalb unverhältnismäßig und damit aus unserer Sicht auch verfassungswidrig.
Solche unverhältnismäßigen Eingriffe sind Angriffe auf die Grundrechte und fordern unseren Widerstand heraus.

Der sogenannte Unterbindungsgewahrsam zur Verhinderung einer „unmittelbar bevorstehenden Straftat“, bei der lediglich der Verdacht ausreichen soll, kann bis auf zwei Wochen ausgeweitet werden. Hinzu kommt eine Verlängerungsoption für weitere 14 Tage.
Sicherheitspolitik muss sich an Verhältnismäßigkeit und tatsächlicher Notwendigkeit messen lassen und nicht einer öffentlichen Stimmungsmache folgen, die mit der Angst der Menschen spielt.
Und wir sagen das in aller Deutlichkeit, wir verurteilen eine Politik, die die Ängste der Menschen nutzt, auf Effekthascherei setzt, damit Sicherheit vorgaukelt und versucht die Wähler und Wählerinnen der Rechten zurück zu gewinnen und dabei selbst nach Rechts rückt.

Und wir sagen auch in aller Deutlichkeit: Wir stehen als Gewerkschaften für die freiheitlich demokratischen Grundrechte in unserem Land und treten für unsere Meinungs-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit ein.
Wir stehen für friedliche gewaltfreie Proteste und Demonstrationen und lassen uns nicht einschüchtern.
Der jetzige Entwurf des Polizeigesetzes gehört vom Tisch.
Deshalb stehen wir heute hier. Wir wollen das Polizeigesetz gemeinsam stoppen!

Gabi Schmidt, Landesleiterin ver.di

Rede zur Einschränkung des Demonstrationsrechts um 15:20 Uhr bei der Landesweiten Demonstration Polizeigesetz NRW stoppen! am 8.12.2018 (Twitter: #dus0812)

Der Sicherheitsapparat als Instrument des Staates

Liebe Genoss*innen, liebe Passant*innen,

wir sind heute auf der Straße gegen das neue Polizeigesetz. Wie wir allerdings schon oft betont haben, endet unsere Kritik nicht beim Gesetz selbst. Wir begreifen die Polizei als Teil des Apparates des kapitalistischen Staates und darüber sprechen wir jetzt. Unser Beitrag heißt:

Der Sicherheitsapparat als Instrument des Staates

Die Polizei ist nicht die gesellschaftlich neutrale Institution, als die sie sich in Zeiten neoliberaler Hegemonie ausgibt. Gibt sich die Polizei als Querschnitt durch die Gesellschaft, in der alle Parteien und politischen Positionen vertreten sind, so zeigt ein genauerer Blick auf die Sicherheitsorgane in der konflikthaften Gesellschaft des Kapitalismus, dass diese sich aufgrund der ihnen eigenen Logik zwingend in Richtung Autoritarismus bewegen. Die Polizei befriedet mit Gewalt die Konflikte, die Ergebnis der Sozialstruktur der bürgerlichen Gesellschaft sind. Sie werden in der bürgerlichen Gesellschaft als Kriminalität, als Abweichung von der Norm begriffen. Unbeachtet bleibt aber, dass eben die Normalität, die Armut und Perspektivlosigkeit beinhaltet, ein als kriminell begriffenes Verhalten zwingend mit sich bringt.

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Die Polizei straft lediglich die Abweichler*innen. Diese werden als die eigentlich Schuldigen ausgemacht und nicht das System, das ihr Verhalten geprägt hat. Ein kapitalistisches System kann ohne einen solchen Sicherheitsapparat nicht funktionieren: Würde abweichendes Verhalten nicht mit Gewalt sanktioniert, würde die ohnehin fragile bürgerliche Gesellschaft im Chaos versinken und ein offener Kampf um das Recht des Stärkeren stattfinden. Dieser Stärkere ist in der entwickelten bürgerlichen Gesellschaft der Staat mit seinem Gewaltmonopol. Die Polizei sichert mit ihrer Bekämpfung der Abweichung immer auch das Fortbestehen des bürgerlichen Staates und der bürgerlichen Gesellschaft ab.

Wie sich auch der bürgerlich demokratische Staat blitzschnell ins Autoritäre wenden kann, zeigt sich sehr offen in unserem Nachbarland Frankreich. Dort kündigte der Chef der französischen Bereitschaftspolizei CRS gestern an, bei den heutigen Protesten der Gilets Jaunes möglicherweise Demonstrant*innen erschießen zu müssen. Die Gilets Jaunes, die gegen die Zumutungen des Neoliberalismus auf die Straße gehen, stellen mit ihrer Militanz das Gewaltmonopol des Staates infrage. Daraufhin bettelt der Polizeiapparat die Regierung Macron nach Verhängung des Ausnahmezustands an. Die Verhängung des Kriegsrechts ist die mehr oder weniger offene Drohung, die der bürgerliche Staat immer in der Hinterhand hat.

Auf individueller Ebene stärkt die Logik der Bestrafung von Abweichler*innen bei den Beamt*innen einerseits das Gefühl einer eigenen Rechtschaffenheit, andererseits einer moralischen Verdorbenheit der Welt, die die Sicherheit bedroht. Diese Vorstellungen fügen sich hervorragend in ein autoritäres Weltbild ein. Diese autoritäre Funktionsweise schreit nach mehr Befestigung der Gewalt, durch mehr Polizei und schärfere Gesetze. Im Rechtsruck fühlen die autoritären Individuen sich bedroht – der Sicherheitsapparat antwortet auf die eigene Frage. Gesellschaftliche Stimmung und autoritäre Logik des Sicherheitsapparates reichen sich die Hand im neuen Polizeigesetz.

Und diesem – nicht nur diesem, sondern allen Institutionen, die es hervorbringen, treten wir heute entgegen. Schöne Grüße an alle, die sich heute mit der Staatsgewalt anlegen.

Bonne chance!

Rede aus dem Linksradikalen Block gegen Rechtsruck um 15:05 Uhr bei der Landesweiten Demonstration Polizeigesetz NRW stoppen! am 8.12.2018 (Twitter: #dus0812)

Klimagerechtigkeit

Hallo zusammen,

auch uns Klimaaktivist*innen trifft das neue Polizeigesetz hart. Gerade die Ereignisse der letzten Monate zeigen dies deutlich. Dieses Jahr war die Aufmerksamkeit auf den Hambacher Forst und den damit verbundenen Protest gegen Braunkohle groß. Medien haben international sehr positiv von den Protesten berichtet und die Aktivist*innen wurden teils als Held*innen gefeiert. Daneben gab es aber auch die ständigen Meldungen über Polizeigewalt. Für Menschen, die schon seit Jahren im Hambacher Forst oder an anderen Orten Widerstand leisten, ist das nichts Neues. Bei dem Versuch den Klimaprotest zu delegitimieren hat sich die Polizei dieses Jahr allerdings an Absurdität übertroffen.
Angefangen hat das ganze schon damit, dass die Polizei Mitte August eine Gartenlaube auf einer Raststätte beschlagnahmt hat. Denn das Forstgesetz verbiete es, waldfremde Gegenstände in den Hambacher Forst zu bringen. Hier wohlgemerkt in den Wald, den die Polizei immer wieder versucht mit allen Mitteln für eine Rodung zu räumen.

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Dass sowohl die Polizei als auch die Landesregierung in Zusammenarbeit mit RWE viel Kreativität an den Tag legt, den Protest zu unterbinden, zeigte sich auch in den darauffolgenden Wochen immer wieder. Als Grund für die Räumung wurde der mangelnde Brandschutz der Baumhäuser aufgeführt, und als mehrere Akteur*innen der Klimabewegung eine Demonstration am Hambacher Forst anmelden wollten, hat die Polizei Aachen auf Grund von Sicherheitsbedenken diese verbieten wollen. Immer wieder beweist die Polizei also, dass sie es schafft mit den absurdesten und demokratiefeindlichsten Argumenten unseren legitimen Protest zu kriminalisieren. Sie wird es wahrscheinlich auch schaffen, uns als terroristische Gefahr darzustellen. NRW Innenminister Reul hat damit in seinem Interview mit der Süddeutschen Zeitung auch schon angefangen. Nach Reul, müsse Terrorismus schon im Vorfeld bekämpft werden, auch dort, wo Menschen nicht kriminell werden. Hier führt er explizit den Protest im Hambacher Forst an. Denn dort wären nicht nur Menschen, denen es um den Wald, die Bäume und das Klima geht, sondern auch welche, die sich gegen den Kapitalismus aussprechen.

Mh, was sollen wir dazu sagen?… Ja, lieber Herr Reul, an den Protesten haben sich auch Menschen beteiligt, die das kapitalistische System kritisieren und abschaffen wollen. Im Gegensatz zu Ihnen, sehen wir dies jedoch nicht als Widerspruch dazu das Klima zu retten, sondern sehen einen Systemwandel als unumgänglich, um Klimagerechtigkeit zu erreichen. Sie beschreiben dies als den politischen Nährboden für Terrorismus, doch die Gefahr geht nicht von uns aus. Die Gefahr geht von einer Politik und einem Wirtschaftssystem aus, in dem es möglich ist, dass ein Konzern wie RWE weiter baggern darf, trotz des enormen Schadens den er dabei anrichtet. Es geht nur um Profitmaximierung, anstatt sich nach den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren und sich für ein solidarisches Miteinander einzusetzen.

Schon jetzt ist die Polizei bei den Räumungen äußerst brutal vorgegangen. Sie hat nicht nur massiven körperlichen Zwang angewendet, der zu zahlreichen Verletzungen inkl. Brüchen führte, sondern die Aktivist*innen auch psychisch drangsaliert. Sie hat Kettensägengeräusche über ihre Lautsprecher abgespielt und die Aktivist*innen nachts mit Flutlicht vom Schlafen abgehalten. In der Gesa [Gefangenensammelstelle, Anm. d. Red.] wurden diese bei Kontrollen gezwungen, sich nackt auszuziehen und einige sind für Wochen und Monate in Untersuchungshaft gekommen.

Die Repressionen gegen Klimaaktivist*innen sind auch jetzt schon hoch. Noch viel schlimmer sieht das ganze mit dem neuen Polizeigesetz aus. Damit hätte die Polizei die Möglichkeit Menschen bis zu 7 Tage in Gewahrsam zu nehmen, nur weil diese ihre Identität verweigern. In dem Fall besteht kein Anrecht auf juristischen Beistand. Viele Aktivist*innen wurden im September in die Gefangenensammelstelle nach Aachen gebracht und mussten die Erfahrung machen, wie schwer es ist, die eigenen Rechte, wie Anrufe oder auch Essen, Trinken und Toilettengänge durchzusetzen. Die Zeitspanne nun auf sieben Tage zu erhöhen, kommt einer Beugehaft gleich. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt des neuen Polizeigesetzes. Werden gegen Klimaaktivist*innen demnächst auch Aufenthalts- und Kontaktverbote verhängt? Greifen Polizist*innen bei der nächsten Demo dann zu ihrem Taser anstatt zu ihrem Schlagstock?

Es wird versucht, die Aktivist*innen schon im Vorfeld von den Protesten abzuhalten und sie einzuschüchtern. Doch wir werden uns von unseren Protesten nicht abhalten lassen. Die Angst vor den gravierenden Folgen des Klimawandels ist größer als die Angst vor den Repressionen durch Staat und Polizei. Ihr könnt uns nicht alle einsperren! Die Klimagerechtigkeitsbewegung wächst stetig, sowohl hier, als auch weltweit. Wir stellen uns gemeinsam gegen die globale Ungerechtigkeit, die durch ein klimaschädliches, kapitalistisches Wirtschaftssystem entsteht. Wir kämpfen in Solidarität mit den Aktivist*innen im globalen Süden, denen schon jetzt durch den Klimawandel ihre Lebensgrundlage genommen wird.

Unser Protest ist legitim und darf nicht kriminalisiert werden! Lasst uns zusammen laut gegen die neuen Polizeigesetze in NRW und anderen Bundesländern sein! System change not climate change!

Annika (Klimagerechtigkeitsaktivistin)

Rede aus dem Block für Klimagerechtigkeit um 13:35 Uhr bei der Landesweiten Demonstration Polizeigesetz NRW stoppen! am 8.12.2018 (Twitter: #dus0812)