Gegen den Rechtsruck in Staat und Gesellschaft

Wir möchten darüber informieren, dass in Hessen ein Bündnis zu der Demonstration „Solidarität! Gegen den Rechtsruck in Staat und Gesellschaft“ durch die Frankfurter Innenstadt aufruft:

Solidarität!
Gegen den Rechtsruck in Staat und Gesellschaft

Demonstration
23. März 2019, 14Uhr
Hauptbahnhof, Frankfurt am Main

Informationen zur Demo
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Hintergrund: Die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yildiz, Nebenklägerin im NSU-Prozess, erhielt seit August 2018 wiederholt mit „NSU 2.0“ unterzeichnete Drohbriefe, die u.a. rassistische Beschimpfungen und Morddrohungen gegen sie, ihre kleine Tochter und andere Familienangehörige enthielten. Bestimmte Anhaltspunkte begründen den Verdacht eines Zusammenhangs zu einer inzwischen aufgedeckten mutmaßlich rechtsextremen Chatgruppe in der Frankfurter Polizei.

Die Initiator*innen der Demonstration möchten nicht nur Solidarität mit allen von rassistischer Gewalt Betroffenen sichtbar werden lassen, sondern sehen diesen Vorgang sowie weitere zugleich als symptomatisch für einen Rechtsruck an, der sich unter anderem auch in den neuen Polizeigesetzen mehrerer Bundesländer zeige. Die folgende Analyse ist Teil ihres Aufrufs:

Die autoritäre Entwicklung zeigt sich auch in der Ausweitung der Befugnisse des staatlichen Sicherheitsapparats. […] Das Polizeiaufgabengesetz in Bayern und die neuen Polizeigesetze in Niedersachsen, Sachsen, NRW oder Hessen weiten die Kompetenzen der Polizeiorgane bei geringerer Kontrolle aus. Gleichzeitig findet eine zunehmende Verschränkung der Befugnisse von Verfassungsschutz und Polizeibehörden statt. Die Gesetzesänderungen brechen mit rechtstaatlichen Standards, überziehen soziale Bewegungen mit Repression und gefährden demokratischen Protest. Organisatorisches Rückgrat der autoritären Formierung ist dabei die AfD, die in allen bundesdeutschen Landtagen von innen Einfluss auf Apparate wie Polizei, Militär und Justiz nimmt. Es handelt sich um eine gesamtgesellschaftliche Zunahme autoritärer Formierung mit globaler Reichweite. Gefährdet sind wir alle!

Aufruf auf gegendenrechtsruck.noblogs.org zur Demonstration am 23.03.19 in Frankfurt (Main)

Den vollständigen Aufruf, die Unterstützer*innen und Presseartikel findet ihr auf der Seite der Demonstration: gegendenrechtsruck.noblogs.org

Der zugehörige Termin mit Karte.

Der Sicherheitsapparat als Instrument des Staates

Liebe Genoss*innen, liebe Passant*innen,

wir sind heute auf der Straße gegen das neue Polizeigesetz. Wie wir allerdings schon oft betont haben, endet unsere Kritik nicht beim Gesetz selbst. Wir begreifen die Polizei als Teil des Apparates des kapitalistischen Staates und darüber sprechen wir jetzt. Unser Beitrag heißt:

Der Sicherheitsapparat als Instrument des Staates

Die Polizei ist nicht die gesellschaftlich neutrale Institution, als die sie sich in Zeiten neoliberaler Hegemonie ausgibt. Gibt sich die Polizei als Querschnitt durch die Gesellschaft, in der alle Parteien und politischen Positionen vertreten sind, so zeigt ein genauerer Blick auf die Sicherheitsorgane in der konflikthaften Gesellschaft des Kapitalismus, dass diese sich aufgrund der ihnen eigenen Logik zwingend in Richtung Autoritarismus bewegen. Die Polizei befriedet mit Gewalt die Konflikte, die Ergebnis der Sozialstruktur der bürgerlichen Gesellschaft sind. Sie werden in der bürgerlichen Gesellschaft als Kriminalität, als Abweichung von der Norm begriffen. Unbeachtet bleibt aber, dass eben die Normalität, die Armut und Perspektivlosigkeit beinhaltet, ein als kriminell begriffenes Verhalten zwingend mit sich bringt.

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Die Polizei straft lediglich die Abweichler*innen. Diese werden als die eigentlich Schuldigen ausgemacht und nicht das System, das ihr Verhalten geprägt hat. Ein kapitalistisches System kann ohne einen solchen Sicherheitsapparat nicht funktionieren: Würde abweichendes Verhalten nicht mit Gewalt sanktioniert, würde die ohnehin fragile bürgerliche Gesellschaft im Chaos versinken und ein offener Kampf um das Recht des Stärkeren stattfinden. Dieser Stärkere ist in der entwickelten bürgerlichen Gesellschaft der Staat mit seinem Gewaltmonopol. Die Polizei sichert mit ihrer Bekämpfung der Abweichung immer auch das Fortbestehen des bürgerlichen Staates und der bürgerlichen Gesellschaft ab.

Wie sich auch der bürgerlich demokratische Staat blitzschnell ins Autoritäre wenden kann, zeigt sich sehr offen in unserem Nachbarland Frankreich. Dort kündigte der Chef der französischen Bereitschaftspolizei CRS gestern an, bei den heutigen Protesten der Gilets Jaunes möglicherweise Demonstrant*innen erschießen zu müssen. Die Gilets Jaunes, die gegen die Zumutungen des Neoliberalismus auf die Straße gehen, stellen mit ihrer Militanz das Gewaltmonopol des Staates infrage. Daraufhin bettelt der Polizeiapparat die Regierung Macron nach Verhängung des Ausnahmezustands an. Die Verhängung des Kriegsrechts ist die mehr oder weniger offene Drohung, die der bürgerliche Staat immer in der Hinterhand hat.

Auf individueller Ebene stärkt die Logik der Bestrafung von Abweichler*innen bei den Beamt*innen einerseits das Gefühl einer eigenen Rechtschaffenheit, andererseits einer moralischen Verdorbenheit der Welt, die die Sicherheit bedroht. Diese Vorstellungen fügen sich hervorragend in ein autoritäres Weltbild ein. Diese autoritäre Funktionsweise schreit nach mehr Befestigung der Gewalt, durch mehr Polizei und schärfere Gesetze. Im Rechtsruck fühlen die autoritären Individuen sich bedroht – der Sicherheitsapparat antwortet auf die eigene Frage. Gesellschaftliche Stimmung und autoritäre Logik des Sicherheitsapparates reichen sich die Hand im neuen Polizeigesetz.

Und diesem – nicht nur diesem, sondern allen Institutionen, die es hervorbringen, treten wir heute entgegen. Schöne Grüße an alle, die sich heute mit der Staatsgewalt anlegen.

Bonne chance!

Rede aus dem Linksradikalen Block gegen Rechtsruck um 15:05 Uhr bei der Landesweiten Demonstration Polizeigesetz NRW stoppen! am 8.12.2018 (Twitter: #dus0812)