Einreichung Verfassungsbeschwerde gegen Polizeigesetz NRW

Einreichung
Foto von Mischa Burmester / CC-BY

Die Verfassungsbeschwerde gegen die Ende 2018 in Kraft getretene Fassung des Polizeigesetzes in Nordrhein-Westfalen wurde wie angekündigt am 30. Oktober 2019 von dem in Bielefeld beheimateten Verein Digitalcourage e.V. eingereicht. Die Beschwerdeführer*innen rügen die Verletzung der Intimsphäre und damit der Menschenwürde, des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, sowie des Fernmeldegeheimnisses.

Eine der Beschwerdeführer*innen ist Michèle Winkler, Referentin der Geschäftsstelle des Komitees für Grundrechte und Demokratie e.V. in Köln. Digitalcourage und das Grundrechtekomitee sind aktive Mitglieder des Bündnisses „Polizeigesetz NRW stoppen!“ und beteiligten sich auch über die Grenzen NRWs hinaus an Protesten gegen die Verschärfungen der Polizeigesetze der Bundesländer.

Dieser Text basiert in weiten Passagen auf der Pressemitteilung des Komitees für Grundrechte und Demokratie e.V. vom 29.10.2019.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die beiden neu eingeführten Überwachungsinstrumente der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) und Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Q-TKÜ). Zudem greift sie die mit den Überwachungsmaßnahmen verknüpfte Vorverlagerung der polizeilichen Eingriffsschwelle und damit den unbestimmten Rechtsbegriff der „Drohenden Gefahr“ an.

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Anders als es das Wort suggeriert, werden bei der Telekommunikationsüberwachung nicht nur Telefonate abgehört. Sie umfasst jegliche technisch vermittelte Kommunikation, sowie sämtliche Online-Aktivitäten. „Jeder Klick, jede Suchanfrage, jedes aufgerufene Video, ja selbst jeder Sprachbefehl: alles, was online passiert, kann die Polizei mitschneiden und auswerten. Sie kann somit mehr über uns erfahren als unsere engsten Bezugspersonen.“ beschreibt Winkler den Sachverhalt.

Der einzige verbleibende Schutz der privaten Kommunikation, die Verschlüsselung, fällt durch das Instrument der Quellen-TKÜ auch weg. „Diese Schadsoftware erlaubt es, Inhalte schon während der Eingabe mitzulesen. Selbst nie abgeschickte Nachrichten, kann die Polizei so mitschneiden. Es ist, als könne sie einem in den Kopf schauen.“ führt Winkler aus.

Um Edward Snowden zu zitieren:

Wenn Du dies hier – diesen Satz – gerade auf irgendeinem modernen elektronischen Gerät, etwa einem Smartphone oder Tablet, liest, dann können die Geheimdienste Dir folgen und Dich lesen. Sie können verfolgen, wie schnell oder langsam Du die Seiten umblätterst und ob Du die Seiten alle nacheinander liest oder zwischen den Kapiteln hin- und herspringst. […]

Egal wo, egal wann und egal, was Du tust: Dein Leben ist zu einem offenen Buch geworden.

Edward Snowden: Permanent Record, S. Fischer 2019, S. 408

Es gibt Anlass zu ernster Besorgnis, wenn sich auch die Überwachungsmöglichkeiten der Polizei des eigenen Landes in diese Richtung entwickeln. Da in Deutschland das Grundgesetz *jedermann die Möglichkeit zur Verfassungsbeschwerde gibt, ist es an der Zeit, diese Chance auch zu nutzen.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich im Besonderen gegen die deutlich zu weit gefassten und schwer nachvollziehbaren Eingriffsvoraussetzungen für die Überwachungsmaßnahmen. Die Ausgestaltung des § 8 Abs. 4 PolG NRW in Kombination mit § 20c lässt den Anwender*innen in Sicherheitsbehörden und Justiz weite Spielräume. Der Kreis potentiell Überwachbarer und Mitbetroffener ist dadurch riesig. „Für Bürger*innen ist nicht einschätzbar, welches Verhalten sie zu Zielpersonen macht. Ebenso wenig können sie wissen, durch welche Kontakte sie zu mittelbar Betroffenen werden können.“ beschreibt Michèle Winkler die Problematik. „Das Gesetz darf so nicht bestehen bleiben.“

Weitere Informationen: https://digitalcourage.de/blog/2019/verfassungsbeschwerde-polgnrw-tkue-qtkue-drohende-gefahr